„Natürlich kann ich das, ich bin Textildrucker“ – Kunst und Tintenstrahlen

„Natürlich kann ich das, ich bin Textildrucker“ – Kunst und Tintenstrahlen

Marco Wildner, genannt „Der Nikki“, bezeichnet sich selbst als Karl-Marx-Städter, ist eigentlich studierte Lebensmittelchemiker und bedruckt mit Passion Textilien. Ein Besuch in der Nikkifaktur.

Über den ganzen sonnendurchfluteten Lößnitzhof führt der Weg, vorbei an den alten Tramschienen und Lagerhallen, Ateliers und Werkstätten. Am anderen Ende des Gewerbehofes steht das Haus 7, Sitz der Textildruckerei Nikkifaktur. Beim Betreten der Industriehalle fällt links die Miniküche mit gemütlicher Sitzecke ins Auge, rechts öffnet sich der Raum mit dem großen Drucker. Das Druckverfahren, das hier angewandt wird, ist relativ neu, erst seit fünf Jahren marktreif. Es handelt sich im Prinzip um ein Tintenstrahldrucker, aber die Fakten ums Gerät geraten an diesem Nachmittag ein bisschen in den Hintergrund.

Nach Industriehalle sieht es hier nämlich gar nicht aus. Die Wände beheimaten eine Fotoausstellung und zwischen alten, sehr hübschen Möbeln, Kicker und Tischtennisplatte hängt natürlich, worum es eigentlich geht: T-Shirts. Obwohl, das Wort T-Shirt lassen wir lieber. Marco Wildner, Mitbegründer der Nikkifaktur, legt Wert auf eine andere Bezeichnung. Er favorisiert die entzückend-verstaubte, liebevoll-ostige Bezeichnung, die sich mittlerweile auch als Wildners Spitzname eingebürgert hat: Nikki.

Experimente im Kohlekeller

Marco Wildner ist ein sympathischer Typ mit ruhiger Art, bedacht, aber nicht zurückhaltend. Wir setzen uns mit einer Tasse Kaffee auf den Hof zwischen den selbstgepflanzten Salat, die gelbe Beete, die Radieschen und die jungen Sonnenblumen. Ihm zuzuhören, macht Spaß, wenn er von ersten Druckversuchen im Kohlekeller und im WG-Zimmer in Dresden erzählt – und von dem ersten Drucker, einem kleinen Schneideplotter, „den Harry Plotter, den haben wir immer noch.“

Mit seinem Studienfach habe er nichts mehr zu tun, das sei nie etwas für ihn gewesen, sagt der 29-jährige Lebensmittelchemiker: „Das Diplom steht im Schrank“. Die Leidenschaft zum Textildruck entstand früh. Wildners Partner Christian Münch hatte mit dem Experimentieren begonnen, „einfach aus der Motivation heraus, ich will das jetzt selber machen, als immer nur was von der Stange kaufen“, erzählt Wildner, der sich damals anschloss. „Die Uni ist ein gutes Dach, um sich auszuprobieren, wir haben anfangs nicht an die große Selbständigkeit gedacht, erst nach dem Studium kam der Gedanke, wir machen das jetzt richtig, wir gründen eine GmbH“, erinnert sich Wildner, der mit Münch im Oktober sein viertes Firmenjubiläum feiert.

Kunstförderung, Qualität, Verantwortung

Die Begeisterung, die Wildner für sein Studium fehlte, ließ er in seine Selbständigkeit fließen. Er hat Ahnung von seinem Beruf und macht klar, dass es ihm um mehr als nur bunte Bilder auf Kleidung geht. In der Nikkifaktur geht es um Kunstförderung, Qualität und Verantwortung. Wildner und Münch sind spezialisiert auf Kleinstauflagen, verkaufen Nikkis „on demand“, sind also bedacht auf Nachhaltigkeit. „In der Regel müssen Käufer bei Kleidung mit Wunschmotiv große Mengen abnehmen, damit ist natürlich das Risiko verbunden, die Menge an Kleidung nicht absetzen zu können, dieses Risiko nehmen wir unseren Kunden ab“, sagt Wildner.

Woher die jeweiligen Textilien kommen, können sich die Kunden aussuchen. Aber auch wenn die Produktion der Kleidungsstücke in Deutschland unsäglich teuer sei, steht Wildners Meinung fest: „Ich selbst achte aber lieber darauf, dass die ganzen sozialen und ethischen Produktionsstandards erfüllt werden, ich achte auf CO2-reduzierte Produktion und Fair-Wear-Zertifizierungen.“ Wie man sich anders entscheiden kann, versteht er kaum: „Diese Textilien kosten vielleicht zwei Münzen pro Stück, trotzdem sparen die Leute am Pfennig.“ Wildner spricht über das Wasser, das in einem Kilo Baumwolle steckt, über CO2-Verbrauch, über Umweltbelastung bei der Herstellung. „Da muss man mal drüber nachdenken: Man trägt es am Körper und dann wird es schnell weggeschmissen, obwohl die Herstellung eine extreme Umweltbelastung ist.“ Eines ist für ihn klar: „Die Qualität ist ein ganzes Stück besser, Fair-Trade-Ware ist besser verarbeitet, diese Nikkis passen uns besser“ – und meint seine Zielgruppe zwischen zwanzig und dreißig Jahren, wenn er „uns“ sagt. Junge, aufmerksame Konsumenten bräuchten keinen Kastenschnitt, keine riesigen Ärmelausschnitte und enge Kragen, stellt er fest.

Kein einfacher Copy-Shop

Und so ernst, wie er das Thema Nachhaltigkeit nimmt, nimmt er auch die Maler, Illustratoren und Fotografen, die ihre Werke auf seine Nikkis drucken lassen. Die Künstler und Labels, für die Wildner auch den Vertrieb übernimmt, kommen überwiegend aus der Region. Robert Richter lässt seine technik- und naturverliebten Motive von Wildner auf Stoff drucken, Michaela Wollschläger arbeitet mit ihm zusammen, genauso wie Sylvia Petrasch mit ihrem Label Miinuc. Aber auch immer mehr überregionale Kunstschaffende lassen ihre Werke von Wildner auf Textilien verewigen. Kunst gehört also in diese Druckerei wie der Tintenstrahldrucker selbst, man wolle eben kein einfacher Copy-Shop sein. Wildner berät seine Kunden umfassend und lässt sie selbst kreativ werden: „Das Angebot schafft die Nachfrage, die Leute wissen nicht, dass ich Babystrampler bedrucken kann, weil ich es nicht anbiete. Aber natürlich kann ich das, ich bin Textildrucker.“

Ein sehr umtriebiger Textildrucker, nebenbei bemerkt. Wildner kümmert sich rührend um den Gewerbehof, der revitalisiert werden soll. Er organisiert Führungen, hatte die Sendung mit der Maus zu Gast und setzt sich dafür ein, das rege Treiben der 120 Parteien des Hofes öffentlicher und transparenter zu machen. Außerdem öffnet er dreimal im Jahr seine Hallen für den TriArtlon – die Ausstellungsreihe in der Nikkifaktur. Bei dieser Ausstellung kommen drei Menschen zusammen, „die nach getaner Alltagsarbeit im Keller, in der Garage oder auf dem Dachboden zeichnen, basteln, schrauben, fräsen, fotografieren, pinseln oder klicken“, meint Wildner augenzwinkernd, „Kunst muss immer noch Hobby bleiben.“ Als Galerist sähe er sich jedoch nicht, Wildner will, dass die Kunstförderung stressfrei bleibt. Das kann man ihm nur wünschen. Der Lößnitzhof und die Nikkifaktur jedenfalls sind in guten Händen.

Foto: Marco Wildner

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