Kulturzensur oder wie oder was?
Dresden macht’s den Straßenmusikern in Zukunft schwer.
Ja, ja, die Spatzen zwitschern es mittlerweile von den Dresdner Dächern: Die Stadt ändert die Bestimmungen für Straßenmusik. Und nach der neuen Regelung (die übrigens noch nicht ausformuliert vorliegt) dürfen die Spatzen bald nur noch von den Dächern trällern, wenn sie das vorher behördlich sondergenehmigen lassen. Bis jetzt durfte man „gebührenfrei und ohne Antrag“ drauf los fideln, klampfen und jodeln, „wenn nicht mehr als drei Musiker spielen, keine Instrumente, Stühle, Tische oder ähnliche Dinge abgestellt werden und keine elektronischen Geräte und Generatoren eingesetzt werden.“
Nun schauen wir uns das schon eine Woche an, aber die vermutete und in den DNN beschriebene Empörung bleibt weitestgehend aus. Einzig die FDP versucht nach jedem Strohhalm zu greifen, um aus dem Umfragetief herauszukommen. Woran liegt das? Bringt man Verständnis auf, weil sich jeder schon einmal von schrägen Tönen belästigt gefühlt hat? Sieht man darüber hinweg, weil es solche Regelungen andernorts auch gibt? Geht seit dem Pantomimenverbot auf der Brühlschen Terrasse eh alles den Bach runter? Oder hängen einfach nur noch alle vor diesem neuen Fashion-und-Lifestyle-Neustadt-Blog (auf den hier freundlichst hingewiesen wird)?
Dabei sollte geschimpft werden! Die Spontanität aus dieser Urform der urbanen Kultur zu nehmen, bedeutet nämlich zunächst – das sollte klar sein – dass die klangvoll bespielten Meter in der Stadt weniger werden. Schon vor der Neuregelung mussten Straßenmusiker alle 20 Minuten den Spielort wechseln. Auch ohne den Gewerbetreibenden, Anliegern oder anderen Beschwerdeführern mit der Spießer-Keule eins überbraten zu wollen: Aber kann es wirklich so schlimm sein, für so eine kurze Zeit auch den schrägsten Vogel sein Ding machen zu lassen? Und das an ohnehin belebten, geräuschintensiven Orten? Was ist mit Flair, Ambiente, Stimmung? Gehören die Sänger in den Gassen nicht dazu?
Die Dresdner Liedermacherriege, also die Betroffenen selbst, haben ihre Postition zur Neuregelung jedenfalls noch nicht festgelegt. Songwriter Magnus Mond hätte einfach weiterhin gern die Option zur spontanen Musike, auch wenn hauptberufliche Straßenmucker etwaige Gebühren und Anmeldungen sicher schultern könnten. „Aber die Regelwut der Stadt“, so Magnus weiter, „geht ja in Richtung ausgrenzen.“ Trotzdem bringt er Verständnis für die Anwohner auf. Wie viele Beschwerden pro Straßenklampfer beim Ordnungsamt eingehen, konnte leider bis jetzt nicht recherchiert werden.
Am beängstigendsten erscheint mir aber die Frage: Was bleibt übrig, wenn zugereiste One-Man-Bands und süße Gelegenheitsliedermacherinnen in Zukunft aus Ämterskepsis, Zettelwirtschaftsangst oder schlicht Unlust die einst vielbespielten, elbflorentinischen Ecken meiden? Richtig Promo-Jobber, vermeintliche Ureinwohner Amerikas, die vortäuschen, Flöte zu spielen und Tonpenetranz „Stilbruch“ (Anm. der Autorin: There is no bad publicity).
Dresden hat kein Problem mit vor Musikern überlaufenden Fußgängerpassagen und Touri-Routen. Straßenmusiker gehören zu uns wie Flyer-Personal vor Kathy’s Garage, Elbwiesensommernächte und das „Nu“. Liebe Stadt, die bisherige Regelung ist doch voll ok: Maximal 20 Minuten an der gleichen Stelle pro Tag. Können wir das nicht so lassen? Denn ich glaube leider, dass Magnus Mond Recht hat, wenn er sagt: „Die Gebühr ist kein Garant für gute Straßenmusik…“
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