SemperOpernball 2013 – Fremdscham passt zu Entertainment

Warum das Ganze so mittelmäßig ist und warum man vielleicht doch hingehen sollte.

Der Februar steht vor der Tür. Umtriebig und ereignisreich wie wir ihn kennen, streckt er zart die Hände Richtung Frühling und kitzelt unsere sommerverliebte Stadt langsam wach. Wie immer steht der Februar auch im Zeichen der Menschenkette für Toleranz und zivilen (schwerbestraften) Ungehorsam. Es spielen auch Jennifer Rostock im Schlachthof und eine Ausstellung zum Thema rechtsextreme Gewalt startet im MHMD. Dann gibt es noch zweitrangige Events wie den Valentinstag und… nun ja, den SemperOpernball. Genau! Das Event, das medial hauptsächlich nur den MDR tangiert, und jener beschäftigt sich wahrscheinlich lediglich aus regional-patriotischen Gründen damit. Wie dem auch sei.

Ich muss zugeben, meine SemperOpernball-Erfahrung blieb bis jetzt einmalig. Welche Tradition diese Veranstaltung in Dresden hat, dürft ihr im Detail gern bei Wikipedia nachlesen, wobei ihr sicher schnell feststellt, dass es gar nicht so schlimm ist, dieses Mega-Event seit 2006 verpasst zu haben. Trotz coolem Paten Gunther Emmerlich – was das Ganze soll, versteht man nicht sofort. Auf den ersten Blick wirkt alles so ein bisschen „von den Wienern abgeschaut – und nicht richtig hingesehen“. Nur ein paar echte Promis verschlägt es dorthin, zwischen ihnen tummeln sich die Sternchen und Dschungelcamp-Anwärter der Zukunft. Es gibt auch einen Orden, den St. Georgs Orden (ging 2009 kafkaeskerweise u.a. an Putin), der wahrscheinlich eigens dafür da ist, dass das maue Staraufgebot nicht vollends schwindet. Und dann gibt es noch den „Semperoperopenairball“ auf dem Theaterplatz. Der Ort zum Feiern und staunen für das gemeine Fußvolk. Und das bekommt dort die – mit Verlaub – Peinlichkeit dieser Veranstaltung in voller Härte zu spüren.

Letztes Jahr wurde Schauspiel-Ikone Roger Moore für sein Lebenswerk geehrt, was auch immer er mit Sachsen zu tun hat (sein künstlerisches Schaffen in allen Ehren). Besserverdiener Jens Lehmann war auch da und verlieh den Orden für Wirtschaft an einen arabischen Miliardärserben, warum auch immer (seine Torwart-Qualitäten in allen Ehren). Ansonsten schubsten sich Persönlichkeiten wie die Katzenberger, Roberto Blanco oder fragwürdige Milliardäre samt 40 Jahre jüngerer Trophy-Geliebten über das Parkett. Zwischendurch winkte Helene Fischer mal vom Balkon und war unglaublich berührt davon, wie die von unten ihr zujubelten. Das alles zusammen ist eigentlich schon zu langweilig, um es in voller Länge im TV zu zeigen, aber Dresden kann mehr.

Denn letztes Jahr gab es vermutlich erstmalig auch ein Opernball-Motto, „Dresdner dürfen das“ lautete es. Alle, die schon Anfang der Neunziger die Autoaufkleber mit dieser Aufschrift zu den Stilverbrechen schlechthin zählten, gruseln sich da natürlich. Für alle, die denken, heute dürfe lediglich noch Dresdner HipHop-Legende DynaMike diesen Spruch verwenden: Ich bin auf eurer Seite! Aber was wir zu sagen haben, wenn es ums Event-Management auf Stadtebene geht, sieht man ja am Stadtfest.

Auch gemeinsam gesungen wurde 2012. Zusammen sollten wir das Volklied „Horch, was kommt von draußen rein“ mitträllern, jedoch mit keck veränderten Lyrics: „Horch was kommt von draußen rein / wird wohl von der Oper sein“ – hollahiao. Zur Hilfe gab’s den Text auf Leinwand, Gotthilf Fischer als Chorleiter und Joachim Llambi als Anheitzer auf der Open Air-Bühne (weil der Ball ja auch irgendwas mit Tanzen zu tun hat). Die UNICEF verteilte rote Luftballons, die wir nur auf Kommando loslassen durften (über die Gründe blieben wir im Unklaren). Ab und an zeigte man uns herzzerreißende Bilder von kleinen Kindern auf anderen Kontinenten. Das Prozedere wurde stetig unterbrochen vom stimmungsmachenden DJ. Unter den nachträglich angegebenen 8000 bis 10.000 Besuchern wurden dann sicher auch mehrere vorbeischlendernde Touristengruppe gezählt, habe ich doch den Theaterplatz als eher lückenhaft besucht in Erinnerung.

Nun freuen wir uns also auf 2013. In diesem Jahr steht der Tanzabend unter dem Motto Zirkus. Es wird eine Parade, Clowns und Elefanten (die armen) geben, denn das Monte-Carlo-Zirkusfestival ist zu Gast. Das liest sich zunächst sogar ganz nett, aber im Hinblick auf meine Erfahrung im letzten Jahr lässt es mich wieder erschaudern.

Ich will euch dennoch keinenfalls abraten, diese Veranstaltung zu besuchen. Denn nicht erst seit dem Dschungelcamp wissen wir, wie gut Fremdscham und Entertainment zusammenpassen. Außerdem ist der Theaterplatz (noch) nicht mit Zäunen abgeriegelt, wie wir das von anderen Events kennen. Man darf immer noch seine eigenen Getränke mitbringen (Alkohol ist auf dieser Veranstaltung sehr wichtig) und das Schauspiel betrachten. 18 Uhr beginnt das sogenannte „Warm up“ (welch winterliche Ironie). Gesungen wird auch wieder, in diesem Jahr die neue Hymne „Dresden, Dresden“ auf der Melodie „Moskau, Moskau“(Ralph Siegel half beim Umdichten). Man darf sich in der Kälte die Beine in den Bauch stehen oder, wenn man nah an der Bühne steht, vielleicht auch eine Choreographie tanzen (Stichwort Weltrekordversuch) und den (teils vermeintlich) Reichen und Schönen beim Feiern zuschauen. Vielleicht kommt man sogar ganz kurz ins Fernsehen (MDR). Man wird also alles in allem den SemperOpernball erleben dürfen, wie er ist: unglamourös, fragwürdig, sogar ein bisschen peinlich.

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